„Industrie 4.0“ als Janusgesicht der Arbeitswelt

Foto: Schröter

Seit den neunziger Jahren wird die Arbeits- und Erwerbswelt durch den voranschreitenden Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnik geprägt. Durch die technisch bedingte Möglichkeit, den Orts- und Zeitbezug von Arbeit schrittweise zu lockern, nimmt die Verlagerung von Arbeits- und Geschäftsprozessen in den virtuellen Raum stetig zu. Seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten vollzieht sich der Prozess der „Virtualisierung der Arbeit“. Nach den einfachen Anfängen in Gestalt von alternierender Telearbeit stehen heute die Virtualisierungen und Automatisierungen komplexer Abläufe im Netz an. Seit langem spricht das Forum Soziale Technikgestaltung von „Neuen Infrastrukturen der Arbeit“, die es partizipativ energisch sozial zu gestalten gelte.

Unter dem Konzept „Industrie 4.0“, das in der Automobil- und in der Chemiebranche samt Zuliefererketten pilotiert wird, versteht man die weitreichende Digitalisierung, Virtualisierung und Neuorganisation von Produktionsabläufen. Dabei wird die „digitale Fabrik“ selbst zum Produkt. Das Konzept „Industrie 4.0“ hat drei Gesichter: Es entfesselt einen erheblichen Rationalisierungsgrad, es bildet die strategische Grundlage für den Industriestandort im globalen Wettbewerb und es eröffnet gute Chancen für die Neugestaltung der Arbeit im Sinne der Humanisierung.

Der IT-Verbund von IT-Entwicklungs- und IT-Anwendungsunternehmen hat sich eine Utopie von „Industrie 4.0“ erarbeitet. Darin heißt es:

„Es sind also nicht allein neue technische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte, die die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in Zukunft bestimmen, sondern auch neue soziale Infrastrukturen der Arbeit in Industrie 4.0, die eine sehr viel stärkere strukturelle Einbindung der Beschäftigten in Innovationsprozesse sicherstellen können. Eine wesentliche Rolle wird dabei der durch Industrie 4.0 einsetzende Paradigmenwechsel in der Mensch-Technik- und Mensch-Umgebungs-Interaktion spielen, mit neuen Formen der kollaborativen Fabrikarbeit in virtuell mobilen Arbeitswelten, der nicht zwangsläufig in der Fabrik stattfinden muss. Intelligente Assistenzsysteme mit multimodalen und bedienungsfreundlichen Benutzerschnittstellen werden die Beschäftigten in ihrer Arbeit unterstützen. Entscheidend für eine erfolgreiche Veränderung, die durch die Beschäftigten positiv bewertet wird, sind neben umfassenden Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen die Organisations- und Gestaltungsmodelle von Arbeit. Dies sollten Modelle sein, die ein hohes Maß an selbstverantwortlicher Autonomie mit dezentralen Führungs- und Steuerungsformen kombinieren. Den Beschäftigten sollten erweiterte Entscheidungs- und Beteiligungsspielräume sowie Möglichkeiten zur Belastungsregulation zugestanden werden.“ (BITKOM und acatech)

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