Arbeit und Identität

(Foto: © Welf Schröter)

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Im Rahmen des Diskurses „Identität in der Virtualität“ ergriff der Tübinger Dozent und Philosoph Matthias Mayer in der Reihe „Arbeitswelt trifft Philosophie – Philosophie trifft Arbeitswelt“ das Wort. Er suchte die Verbindung zwischen Arbeit und Identität. Dabei wandte er sich dem Werk des Bloch-Schülers Eberhard Braun zu, der in seiner kritischen Adaption Hegels schrieb:

„Arbeitend erhebt das Selbstbewusstsein sich von seinem Versenktsein in das natürliche Sein zu einem übernatürlichen, geistigen Sein. Arbeit ist, so müssen wir sagen, im Kern absolute Abstraktion, der Beginn der Negation der Negation und deshalb der Anfang des Geistes.“ (Eberhard Braun)

„Hegel begreift das Wesen des Menschen als Prozess der Selbsterzeugung durch Arbeit. Dies ist das Moment, das es zu bewahren und fortzubilden gilt.“ (Eberhard Braun)

Bezugnehmend auf das von ihm mitherausgegebene Buch „Eberhard Braun: Die Rose am Kreuz der Gegenwart. Ein Gang durch Hegels ,Phänomenologie des Geistes‘“ führte Mayer aus:

„Es gibt, verkürzt, zwei Arten der Aufhebung, d.h. der Überwindung der Welt der Erscheinung, der Überwindung der Spaltung der Welt in Subjekt und Objekt. Die eine, von Schelling bevorzugte wie beschriebene, soll durch einen ,mystischen Moment‘ der Unmittelbarkeit sich vollziehen; er nennt sie ,intellektuelle Anschauung‘ . Die andere, von Hegel präferierte und erörterte, soll reflexiv, durch die ,Anstrengung des Begriffs‘  – auch sie spielt hinein in die Symbolik der Rose – gelingen, d.h. durch die mühsam in Begriffen vermittelte Erkenntnis, die zur absoluten Erkenntnis und absoluten Identität führt. ,Wahre Gedanken und wissenschaftliche Einsicht ist nur in der Arbeit des Begriffes zu gewinnen.‘ Beiden Systemen geht es um Identität. Bei Schelling ist sie in der Natur schon a priori grundgelegt.“

Der Charakter der Arbeitswelt ändert sich durch den voranschreitenden Prozess der Digitalisierung und Virtualisierung. Um den Wandel des Kerns der Arbeit zu erkennen und um die Bildung des Ich und der Identität zu erfassen, sei auf eine wesentliche Aussage Brauns verwiesen:

„Aus der Arbeit geht nicht nur die praktische Bildung hervor, die Verbesserung in der Beherrschung natürlicher Dinge. Auch alles theoretische Wissen geht aus der Arbeit hervor. Daraus lässt sich schließen: für Hegel hat Erkenntnis primär die Verfassung von Arbeit. Wie die Arbeit ist auch Erkennen ein Formieren des Gegebenen, und dieses Formieren ist ein Humanisieren, ein Vermenschlichen des ursprünglich den Menschen Fremden. Wenn dies aber richtig ist, dann ist Arbeit der Schlüsselbegriff zu Hegels Philosophie im Allgemeinen und im Ganzen.“ (Eberhard Braun)

Die Befreiung der Arbeit bedarf der Erkenntnis ihrer Entfremdung. Identität entsteht aus Arbeit: „Arbeitend erhebt der Mensch sich zum Denken, zur Vorstellung des Allgemeinen.“ (Braun)

Siehe: Eberhard Braun: Die Rose am Kreuz der Gegenwart. Ein Gang durch Hegels „Phänomenologie des Geistes“. Mit einer Einleitung von Matthias Mayer.

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