Rosas „Resonanz“ ohne Blochs „Heimat“

Foto: © Welf Schröter

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Die neue Ausarbeitung des Soziologen Hartmut Rosa mit dem Titel „Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung“ (2016) hat große Erwartungen erzeugt. Ausgehend von seinem hervorragenden Band „Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung“ (2012) war zu glauben, dass er seine Analyse der Zusammenhänge von Beschleunigung und Demokratie, von Zeitwahrnehmung und Selbstwahrnehmung vertiefen und erweitern würde. Doch im Kern hat er sich von seiner früheren Perspektive schrittweise entfernt und sich einer affirmierenden Positionierung genähert. (Siehe dazu „Schwierigkeiten beim Lesen von Hartmut Rosas ,Resonanz‘“.)

Rosa legt eine hochinteressante Darlegung der beiden neu definierten Kategorien „Resonanz“ und „Entfremdung“ vor. Nachteilig wirkt sich aus, dass er die Entstehung seiner Theorie früheren Denkern wir Marx, Adorno, Habermas und Bloch geradezu buchstäblich in den Mund legt, als ob diese die wissenschaftliche Tür für Hartmut Rosa geöffnet hätten.

In einem grundlegenden Missverständnis des Bloch‘schen Werkes schreibt Rosa etwa (740): „Kinder sind Resonanzwesen, so hat es sich gezeigt; nicht zuletzt deshalb konnte Bloch postulieren, die (resonante) Heimat, in der noch keiner gewesen sei, scheine uns aus der Kindheit her.“

Rosa nennt zwar das dreibändige Werk von Ernst Bloch „Das Prinzip Hoffnung“ als Referenzliteratur, hat es offensichtlich aber nicht ausreichend rezipiert. Auf 815 Seiten kommt er lediglich zwei Mal auf Blochs „Heimat“-Begriff zu sprechen. Jedoch verwendet er lediglich das auf der Buchrückseite des dritten Bandes zitierte Schlusszitat. Die für die „Resonanz“-Diskussion notwendige Aufhebung des Bloch’schen Begriffes der „Ungleichzeitigkeit“ unterlässt er völlig (604). In der produktiven Spannung von „Resonanz“ und „Ungleichzeitigkeit“ läge aber eine der Schlüssel-Thesen und Anti-Thesen einer zukunftsweisenden systematischen Theorie moderner Gesellschaftlichkeit.

Auch die hegelianische Subjekt-Objekt-Beschreibung mit ihren emanzipatorischen Kritiken durch Marx und Bloch erscheint für Rosa als materialistisch zu wendende Dialektik wenig bedeutsam. Er spricht von seiner eigenen These, in der „Subjekt und Welt einander antworten“(482, 65). Rosa erinnert an die Marx’sche Verdinglichungsanalyse (544, 579), zieht sich aber von der Möglichkeit eines oder mehrerer gesellschaftlicher Subjekte zurück.

„Resonanz ist das Andere der Entfremdung“ (306). Dieser Kernaussage Rosa schiebt der Autor eine Definition von Entfremdung nach, die sich materiell-ökonomischen Konnexen kaum zu öffnen wagt: „Entfremdung bezeichnet damit eine Form der Welterfahrung, in der das Subjekt den eigenen Körper, die eigenen Gefühle, die dingliche und natürliche Umwelt oder aber die sozialen Interaktionskontexte als äußerlich, unverbunden und nichtresponsiv beziehungsweise als stumm erfährt“ (306).

Jenseits von Blochs „belehrter Hoffnung“ („docta spes“) verwandelt Rosa Hoffnung in individuelle Zuversicht: „Resonanz entsteht also niemals dort, wo alles ,reine Harmonie‘ ist, und auch nicht aus der Abwesenheit von Entfremdung, sondern sie ist vielmehr gerade umgekehrt das Aufblitzen von Hoffnung auf Anverwandlung und Antwort in einer schweigenden Welt“ (321).

Gegen die „belehrte Hoffnung“ Blochs erscheint Rosas Hypothese wagemutig, dass „die Resonanzkraft der Geschichte erlischt, dass die geschichtlichen Ereignisse uns nichts mehr zu sagen haben“ (511).

 

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