Vor 75 Jahren – am 15. März 1939 – ließ der NS-Staat seine Wehrmachtstruppen in die Tschechoslowakei – in Prag – einmarschieren. Prag sollte ein Ort des „Dritten Reiches“ werden. Kaum war die SS auf dem Wenzelsplatz angekommen, startete die Gestapo die „Aktion Gitter“. Mehr als eintausend politische Emigranten und Hitlergegner wurden verhaftet. Seit 1933 waren Schriftsteller, Intellektuelle, jüdische Oppositionelle, Freunde des Bauhauses in die Moldaustadt geflohen, um der Verfolgung der Nazis zu entgehen.
Unter den Emigranten befanden sich auch Ernst und Karola Bloch. Ihr Sohn Jan Robert Bloch wurde in Prag geboren. Die Architektin und politische Aktivistin Karola Bloch hatte ausreichend Praxis- und Lebenserfahrung gesammelt, um rechtzeitig zu erkennen, dass ein drohender Einmarsch deutscher Militärverbände für sie Gefahr an Leib und Leben bedeutete. Sie drängte zum Aufbruch und stellte die Koffer bereit. Noch immer hält sich heute unter Bloch-Freunden die Anekdote, dass Ernst Bloch damals in Prag unwillig die Kofferpackerei verfolgte und wiederholt fragte: „Wieso müssen wir weg?“ Die Blochs reisten ins polnische Gdynia und verließen am 3. Juli 1938 per Schiff den europäischen Kontinent in Richtung der Freiheitsstatue in New York.
Ernst Bloch hatte erst viel später vollständig begriffen, was Karola Bloch vollbracht hatte. Er widmete ihr ein weiteres Mal einen seiner philosophischen Werkbände. Zu Beginn von „Tendenz – Latenz – Utopie“ heißt es: „Für meine Frau Karola, Mann und Werk vor den Nazis rettend“. In den USA schrieb Bloch sein philosophisches Hauptwerk.
Als in der Tübinger Zeit nach 1961 Professoren, Journalisten und Bekannte die Blochsche Wohnung besuchten, wollten die meisten in Karola Bloch nur eine Frau an seiner Seite erkennen, eine unscheinbare Hausfrau. Doch die aktive jüdische Widerstandskämpferin Karola Bloch war in den dreissiger Jahren unter dem Decknamen „Olga“ durch den SS-Staat gereist, um Gleichgesinnte gegen Hitler zu unterstützen. Unter Einsatz ihres Lebens spürte sie hautnah die Gefahr. Ihre Lebensklugheit retteten Mann, Sohn, philosophische Manuskripte und sie selbst. Karola Blochs Familie blieb in Europa und wurde im KZ Treblinka ermordet.