Philosophieren ist nun einmal kein standpunktloses Unternehmen

Philosophieren ist nun einmal kein standpunktloses Unternehmen. Lesung am Sonntag 28. September 2025 um 15.00 Uhr in den Räumen des Weltethos-Institutes Tübingen, Hintere Grabenstraße 26

In einer großen Anstrengung veröffentlichte der Tübinger Philosoph Helmut Fahrenbach sein fachliches Gesamtwerk. In zwölf Bänden plus einem Ergänzungsband entstand die Talheimer Ausgabe. In einem Zeitraum von neun Jahren wurden die dreizehn Bücher nach und nach verlegt. Die Edition der Ausgabe wurde anlässlich Helmut Fahrenbachs 95. Geburtstag vollendet. Der Philosoph Helmut Fahrenbach entwickelt seine eigenständige Philosophie auf Grundlage der kritischen Rezeption der Werke von Kant, Hegel, Marx, Löwith, Jaspers, Plessner, Kierkegaard, Wittgenstein, Sartre, Bloch, Marcuse, Lefebvre, Fromm und Habermas.

„Fahrenbachs Werk kommt zur richtigen Zeit. Während durch Globalisierung, Robotik und Digitalisierung das aufgeklärte Menschenbild immer mehr in Frage gestellt wird, verteidigt der Autor die Selbstbestimmung des Einzelnen in solidarisch-gesellschaftlicher Emanzipation. Fahrenbach bietet Antworten auf grundlegende, immer noch aktuelle Fragen nach den Potenzialen der Humanitas. Es geht um die philosophisch-politische Erbschaft der Citoyennes und der Citoyens sowie der Stabilisierung und Weiterentwicklung der Freiheit. Helmut Fahrenbach entfaltet die Philosophie der Hoffnung zu einer Lebensphilosophie der Zukunft.“ (Talheimer Verlag)

In ihrer Lesung haben Irene Scherer und Welf Schröter, beide vom Talheimer Verlag, Passagen aus Helmut Fahrenbachs Werk ausgewählt, die sich mit Fragen der Hoffnung, der Philosophie der Zukunft, des Menschenbildes, der Menschenrechte befassen. Neben der „Philosophischen Anthropologie“ kommt auch Fahrenbachs Rezeption des Küng’schen Weltethos-Gedankens zur Sprache. Eintritt frei.

Wer sich einen Überblick über die Werkausgabe verschaffen will, kann in einem 13-minütigen Video mit einem O-Ton des Autors sowie in der Gesamtschau der Bände einen Zugang finden. Siehe: https://youtu.be/FQvep8qKuDY und insbesondere https://bloch-blog.de/die-zwoelfbaendige-philosophische-werkausgabe-von-helmut-fahrenbach-ist-erschienen/

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Assistenz des Humanoiden

(Foto: © Welf Schröter)

Gibt es eine Art physische Integrität des menschlichen Körpers? Gilt eine ethisch-normative Grenze der wechselseitigen Integration menschlicher Körperlichkeit und humanoider Technik? –

Hinter den Fragen verbergen sich sowohl Hoffnungen wie auch Sorgen hinsichtlich des Wandels unseres modernen Menschenbildes, wie es aus christlicher-religiöser und aufklärerisch-gesellschaftlichem Werdens-Prozess hervorgegangen ist.

Neu und aktuell entfaltet sich das Thema vor dem Hintergrund der Diskurse über Technikinnovationen, die den menschlichen Körper bzw. seine Gliedmaßen durch künstliche Bauteile ergänzen wollen. Seien es medizinische Prothesen, die dem Menschen nach erlittenen Unfällen behilflich sein sollen, seien es technische Unterstützungssysteme, die Hände und Beine in ihrem Leistungsvermögen stärken oder deren Belastungen erleichtern sollen, seien es mobile Serviceroboter, die mobil eingeschränkte Personen beweglicher werden lassen, – die Betrachtenden folgen einem inneren Zwiespalt. Dieser verliert in der Regel seine Spannung, wenn erkennbar ist, dass es sich bei der Assistenztechnik um Gegenständliches handelt, das außerhalb des menschlichen Körpers verbleibt und vom Menschen nach eigener Entscheidung auf Bedarf genutzt wird.

Die derzeitigen Entwicklungen der Assistenztechnik zeigen nun aber eine veränderte Perspektive: Durch die zunehmende Verkleinerung der Robotik mit Hilfe von Mikrosystemtechnik und Nanotechnologie sowie durch die steigende Einfügung modernster interaktiver Informations- und Kommunikationstechnik versuchen die miniaturisierten Helfersysteme schrittweise Bewegungen, Verhaltensweisen und Reaktionsmuster des Menschen aufzunehmen. Assistenztechnik ist auf dem Weg menschenähnlich, humanoid zu werden. Mehr noch: Die bisherige Trennung von menschlichem Körper und Mikrotechnik beginnt sich umzukehren. Die Distanz bzw. Nähe von Mensch und Technik wandelt sich experimentell hin zur körperlichen Integration von Assistenztechnik in die organische Umgebung.

Der potenzielle Chip im menschlichen Muskel oder im organischen Prozesszusammenhang begründet sich zunächst medizinisch. Doch aus der medizinischen (Fern-)Kontrolle durch IT im Sinne von Fernwartung lässt sich soziale Fernkontrolle oder Fernüberwachung mit anderen Absichten oder Motiven herausdestillieren. Zugespitzt: Die militärische „Cyborg“-Debatte zur Nutzung intelligenter humanoider Assistenztechnik innerhalb der Körper von Berufssoldaten stellt nicht nur das tradierte Menschenbild in Frage.

Über Jahrhunderte ist in den Gesellschaften durch Religion, Wissenschaft und Philosophie ein Bild der Körperlichkeit hervorgekommen, das sich in unserem gesellschaftlichen Bewusstsein festgegraben hat. Dieses steht heute den Wahrnehmungen der technologischen Verheissungen auf dem Feld der humanoiden Assistenzrobotik geradezu ungleichzeitig gegenüber. Der gesellschaftlichen Unabgegoltenheit der Humanisierung des Menschen drängt sich eine Technikutopie entgegen, die das Körperliche vom Sozial-Emanzipatorischen abzuspalten droht. Für Ernst Bloch stand Technik nicht selten auf der Seite des modernisierenden Fortschritts. Die physische Veränderung der Architektur des Menschen durch Technik war für ihn noch nicht erkennbar. Sein „Geist der Utopie“ mass sich noch am (ur-)christlichen Schöpfungsbild.