Vergessene Architekten

Bauhaus2

(Foto: © Welf Schröter)

Er gehörte für Karola Bloch zur politischen Familie, auch wenn – oder auch weil – er von Stalin verfolgt wurde. Sie, die Architektin und Bauhaus-Anhängerin, freute sich, ihn zu treffen, von ihm zu hören und zu lesen. Am 18. November 2014 jährte sich der Geburtstag des Architekten und Dessauer Bauhausdirektors Hannes Meyer zum 125. Mal.

Meyer wurde von Gropius zum Bauhaus geholt und vom ihm vertrieben, weil er zu politisch, zu politisch links war. Dieses Politische in der Architektur aber, ihre ganzheitliche Gesellschaftlichkeit war es, die Karola Bloch an Meyer schätzte und der sie selbst nachfolgen wollte.

Meyer ging mit großen Erwartungen 1930 nach Moskau. Er wollte durch neues Bauen zu neuen Gesellschaften beitragen. Mit diesem Tagtraum kam Karola Bloch 1949 in die DDR nach Leipzig. Meyer floh alsbald in die Schweiz. Seine Partnerin wurde von Stalins Häschern ermordet. Karola Bloch erhielt in der zweiten Hälfte der Fünfziger-Jahre Berufsverbot in „Pachulkistan“ (so nannte der Bloch-Schüler Jürgen Teller die DDR). 1961 wechselt die Architektin von Leipzig nach Tübingen. Beide Architekten gehören heute noch immer zu den Vergessenenen in ihrem Berufszweig.

Schon 1951 schrieb Karola Bloch an Hannes Meyer in der Schweiz, er möge nicht in die DDR kommen. Die Bauhaus-Tradition sei durch den ideologischen „Formalismusstreit“ des „sozialistischen Realismus“ weitgehend getilgt worden: „Der sowjetische Prozess brauchte hier nicht zu sein“, schrieb die Polin und Jüdin kritisch über die planwirtschaftlichen Exerzitien Ulbrichts. Karola Bloch arbeitet bis zum Tätigkeitsverbot in der DDR zu Kindertagesstätten und Kinderkrippen, da es dabei „nicht so viele Schwierigkeiten zu überwinden“ gibt. Hannes Meyers Tod 1954 hat Karola Bloch schwer getroffen.

„Daß Sie zur Familie gehören, ist selbstverständlich, und ich habe stets, allen Merkers zum Trotz, zu Ihnen gehalten und Sie stolz meinen Freund genannt!“ (Karola Bloch am 21. 10. 1951 an Hannes Meyer).

 

Karola Bloch: Der unkünstlerischste Naturalismus. Brief an Hannes Meyer. In: Irene Scherer, Welf Schröter (Hg.): Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin. Eine Neuentdeckung des Wirkens der Bauhaus-Schülerin. (2010) ISBN 978-3-89376-073-2

„Olga“ und „Pasionaria“

Mancher Jahrestag lädt ein zu Erinnerungen und zu differenzierendem Nachdenken. Vor 25 Jahren starb am 12. November 1989 die aus dem Baskenland stammende mehr als neunzigjährige Franco-Gegnerin und Widerstandskämpferin Dolores Ibárruri. Bekannt wurde sie unter ihrem politischen Namen „La Pasionaria“. Sie gehörte zu den führenden Persönlichkeiten des spanischen Kommunismus. Nach der Niederlage der Republik gegen die faschistische Machtübernahme floh sie in die Sowjetunion.

(Foto: © Welf Schröter)

(Foto: © Welf Schröter)

„La Pasionaria“ war Kommunistin, ein Leitbild für die spanischen Frauen, ein Symbol für die „Internationalen Brigaden“ und zugleich eine loyale Interpretin des Stalinismus. Sie galt als Symbol für die antifaschistische Befreiung und war zugleich Sprecherin eines parteidiktatorischen Gesellschaftsmodells.

„La Pasionaria“ mit ihrem Ausspruch „No pasarán“ („Sie werden nicht durchkommen“) galt in ganz Europa als Sinnbild des Widerstandes gegen Hitler, gegen Franco und Mussolini. Auch die damals über dreißigjährige Karola Bloch war eine begeisterte Anhängerin der selbstbewussten Baskin und Spanierin: „So wie Rosa Luxemburg für mich auf der theoretischen Ebene ein großes Ideal war, so galt die ,Pasionaria‘ auf dem Gebiet der praktischen politischen Tätigkeit mir als Ideal“, erinnert sie sich im Gespräch im Jahr 1986 in ihrer Tübinger Wohnung.

Karola Bloch, die Architektin, Polin, Jüdin entschloss sich zu eigenen Formen des Widerstandes. Unter dem Decknamen „Olga“ reiste sie durch das Nazi-Reich von Paris nach Warschau, um polnischen Freunden geheime Kassiber des antifaschistischen Widerstandes zu überbringen. Trotz großer Angst und Gefährdung gelangen die Aktionen, wie sie in ihrer Autobiografie „Aus meinem Leben“ schrieb.

Doch anders als Dolores Ibárruri floh Karola Bloch vor der Gestapo ganz bewusst nicht in die Sowjetunion sondern in die USA. „Olga“ sah in der Sowjetunion die zentrale militärische Kraft gegen Hitler. Aber anders als die Journalistin der spanischen KP-Zeitung „Mundo Obrero“ stellte sich Karola Bloch gegen das politische System des Stalinismus. Karola Blochs Kommunismusverständnis widersprach der „Diktatur des Proletariats“ und der Parteilinie Moskaus. Während Dolores Ibárruri Menschen an den Geheimdienst Stalins verriet, half Karola Bloch jenen Kommunisten, die vor Stalin auf der Flucht waren. Erst im Jahr 1968 korrigierte sich Dolores Ibárruri und wandte sich gegen die „Breschnew-Doktrin“ und gegen die militärische Niederschlagung des „Prager Frühlings“ in der Tschechoslowakei. Da endlich waren sich beide Frauen wieder einig.

Zwei widerständige Frauen, zwei überzeugte Antifaschistinnen und dennoch zwei unterschiedliche, sich ausschließende Tagträume gesellschaftlicher Zukunft.

 

Das Wesentliche

(Foto: © Welf Schröter)

„Du warst Sozialistin aus der Kenntnis der Welt da unten, die Du aus der Perspektive des Staubs ansahst –, Ernst eher aus planetarischer Sichtweite.“ Mit diesen Worten gratulierte dereinst Walter Jens Karola Bloch zu ihrem 85. Geburtstag. Humorvoll fuhr er fort: „Ich erinnere mich an das Jahr 1968. Es gab auch in diesem Gebäude eine Reihe von Go-In’s der Studenten bei Professoren. Ernst missbilligte das. Er fand, einen Professor stört man nicht bei der Arbeit. … Du hingegen fandest die Go-In’s ganz richtig. Die Studenten sollten ruhig kommen und die Leute mal auf Trab bringen.“

Auch der Leipziger Schüler Ernst Blochs und guter Freund der Familie, der Philosoph und Lektor Jürgen Teller, bezeugte, wie die Polin, Sozialistin, Jüdin und Architektin Karola Bloch selbstbewusst Leute mal auf Trab brachte. Er erinnerte an das Jahr 1956 in der DDR, als Karola Bloch die SED nach der militärischen Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn angriff: „Den beiden mächtigsten Parteisekretären … sagtest Du mitten ins Gesicht: ,Aber das ist ja roter Faschismus!‘ und ,Wo bleiben denn die Denkmäler für die entsetzlich vielen Opfer Stalins?‘“

Energisch war Karola Bloch 1932 als Studentin gegen den drohenden Nationalsozialismus in die damalige KPD eingetreten. Doch ihr Verständnis von Kommunismus und Sozialismus unterschied sich von den Positionen der Zentralkomitees und Politbüros. In den dreißiger Jahren war sie einerseits als Agentin „Olga“ für ihr Geburtsland Polen gegen Hitler tätig und unterstützte andererseits Parteifreunde, die von Stalins Geheimdiensten verfolgt wurden.

Als Karola Bloch vor zwanzig Jahren in Tübingen starb, ging ein nicht aufhören wollendes politisches Ringen zu Ende. Das Rebellische ihrer Jugendjahre blieb ihr erhalten. Irene Scherer zitiert sie dazu in ihrem Beitrag über Kontinuität und Bruch in „Architektin, Sozialistin, Freundin“: „Von Kindheit an war ich selbstständig. Durch mein Leben war und bin ich eine emanzipierte Frau. Das gehört zur Kontinuität in meinem Leben.“

Die schwerste Last bildete die Shoah und ihre Folgen. Karola Blochs Eltern und ein Teil ihrer weiteren Angehörigen wurden ins „Warschauer Ghetto“ verschleppt und im KZ Treblinka ermordet. Obwohl Karola Bloch nicht religiös war, hatte sie doch ihre jüdische Herkunft kulturell nie vergessen und nie geleugnet. Bis zuletzt stand eine kleine Menora in Sichtweite.

Im Sommer 1990 zog die 85-Jährige in einem Gespräch eine persönliche Bilanz. Auf die Frage, was die wichtigste Botschaft sei, die sie mit dem Wort Sozialismus verbinde, antwortete sie rauchend: „Wenn sich Menschen für etwas Positives einsetzen, so treten sie für Gleichberechtigung, Gleichverantwortung und für Gerechtigkeit ein. Darin liegt das Wesentliche. Es geht um die Würde des Menschen.“