Die Bewegung des „Armen Konrad“

(Foto: © Welf Schröter)

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Es war ein Bauernaufstand im Sommer des Jahres 1514, der dem großen Bauernkrieg 1525 im Südwesten vorausging. Unter der Chiffre „Armer Konrad“ rebellierten im Herzogtum Württemberg darbende Bauern gegen die adelige Obrigkeit. Die Bewegung des „Armen Konrad“ verlangte erst Essen gegen den Hunger, dann Gerechtigkeit. Als die Grafen und Herzöge dies verweigerten, wollten die Bauern aus dem Remstal und aus dem Böblinger Raum den Sturz der Herrschaft. Mit Gewalt, Folter und Gerichten wurde der Aufstand niedergemacht.

Fünfhundert Jahre später erinnern Bürgerinnen und Bürger der kleinen Gemeinde Glashütte nahe der schwäbischen Gemeinde Waldenbuch an jene Aufständischen, die als Glashütter Bauern des „Armen Konrad“ von der Justiz des Adels umgebracht wurden.

Aus der Perspektive der Rebellen beschreiben heute Bürgerinnen und Bürger die aufrührerische Geschichte ihres Ortes. Ein öffentlicher Platz wurde vom Gemeinderat in Respekt vor den demokratischen Bauern von einst in „Platz des Armen Konrad“ benannt. Dort steht ein Schild mit besonderer Aufschrift:

„Peter Wolff, Bernhard Wolff, Caspar Schmid und Peter Koch aus Glashütte, dazu Hans Schmeck aus Waldenbuch und Jörg Legolo aus Stuttgart starben als Teilnehmer am Bauernaufstand Armer Konrad durch das Schwert auf der Hauptstätte zu Stuttgart am 9. August 1514. Sie waren ihrem Traum von der besseren Gerechtigkeit gefolgt.“

(Foto: © Welf Schröter)

(Foto: © Welf Schröter)

In der Bewegung des „Armen Konrad“ hatten sich gleichwohl auch Frauen organisiert: „Sie zihet ihre Stiffel an und rüstet sich gleich wie ein Mann.“

Wie rief doch vor Jahren der Philosoph Ernst Bloch energisch von der Kanzel: „Wohlan, ich will aufrührerisch sein!”

 

We shall overcome

Ein Denkender (Foto: © Welf Schröter)

Lange bevor die Rolling Stones mit ihren Songs „Streetfighting Man“ und „Sympathy for the Devil“ die braven Tanzschulen durcheinander brachten, lange bevor John Lennon mit den Beatles „Revolution“ sang, lange bevor The Cream, Jerry Garcia und die „Greatful Dead“, Miriam Makeba, Janis Joplin, Jimi Hendrix, MC5, Frank Zappa und die „Mothers of Invention“, Bruce Springsteen, John Lee Hooker, Bob Dylan („Blowin’ in the Wind“) mit ihren politisch-lyrisch-musikalischen Botschaften ihre Zuhörer inspirierten und aufrüttelten, war jener Sänger mit Leidenschaft und politischer Parteilichkeit sowie seinen selbst geschriebenen bzw. bearbeiteten Songs solidarisch bei jenen, die seine Stimme brauchten: Pete Seeger, brillanter Musiker, aufrührerischer Songwriter, Gewerkschafter und Menschenfreund sang für Benachteiligte, an den Rand der Gesellschaft Gedrängte, streikende Arbeiter, rebellierende Schwarze, Umweltschützer, Kriegsgegner, Pazifisten. Seine Waffen waren sein Banjo, seine Stimme, sein Verstand und sein Herz.

Sein künstlerischer Kommunismus kam Ernst Blochs „Aufrechtem Gang“ sehr nahe. Sein „Noch-Nicht“-Song – auf der Basis eines alten Gospelstücks – „We shall overcome“ wurde in seiner Version und der Neuaufnahme durch die Sängerin Joan Baez zum Leitmotiv der Jugendrevolte der sechziger und siebziger Jahre gegen den Vietnamkrieg, gegen Rassismus und Unterdrückung. Ähnlich wie Ernst Bloch wurde Pete Seeger vor den McCarthy-Ausschuss gegen unamerikanische Umtriebe zitiert. Ein langes Radio- und Medienverbot und ein Urteil über zehn Jahre Gefängnis machten ihn bei den späteren Berkeley-Rebellen erst richtig populär. Für ihn galt ein Motto, nach dem Karola Bloch, – die zeitweise ebenso wie Pete Seeger in der amerikanischen KP war –, ihr Leben ausrichtete: „Ich gehe zu jenen, die mich brauchen, nicht zu denen, die ich brauche.“

Einer von Pete Seegers bekanntesten Protestsongs „Where have all the Flowers gone“ wurde für viele junge Männer Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre in Europa zu einem markanten Aufruf, sich pazifistisch dem Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Seine nüchterne unprätentiöse Stimme, sein bescheidenes Auftreten, seine Klarheit der Aussage waren für junge Ohren im Lande des Heintje- und Roy-Black- und Egerländer-Kitsches eine Initialzündung, die konsequent hinüberleitete zu den bitteren bluesnahen Antikriegsstücken von Jimi Hendrix wie „The Star Spangled Banner“ und „Machine Gun“.

Pete Seeger ist am 27. Januar 2014 im Alter von 94 Jahren gestorben. Er wollte mit seinem Leben der Gerechtigkeit mehr Einfluss verschaffen. Er forderte von seinen Zuhörenden vor allem eines: Mut zur Einmischung, denn „This Land is your land“ (Pete Seeger). Dieser Imperativ ist mit seinem Tod nicht erloschen.