Zum 120. Geburtstag Karola Blochs und zum 140. Geburtstag Ernst Blochs

2025 – Ein Jahr der Erinnerungsanlässe: Der 120. Geburtstag Karola Blochs,
der 140. Geburtstag Ernst Blochs, der 15. Todestag Jan Robert Blochs und
der 80. Jahrestag der Zerschlagung des Hitler-Regimes durch die Alliierten

„Wir haben eine Architekturfirma zusammen, in der statt Architektur Philosophie gemacht wird“ (Karola Bloch)

Es war Walter Jens, der in seinen besten Zeiten im Großen Saal des Landestheaters Tübingen anlässlich des 85. Geburtstages von Karola Bloch in Anwesenheit der Jubilarin vor aller Öffentlichkeit feststellte, dass sie die entschieden Linkere im Duo Bloch gewesen sei. Er verband – ganz im Einklang mit Hans Mayer – damit einen Blick auf das Paar Ernst und Karola Bloch, der beide Ehepartner auf gleicher Augenhöhe verortete. Er sprach humorvoll von einer einträchtigen Zwietracht, einer concordia discors. Er unterstrich die produktive Spannung zweier Menschen, zwischen denen keine Hierarchie herrschte, sondern gleichberechtige Ausprägungen analytisch-politischen Denkens. Das Paar wollte gemeinsam im selben Grab beerdigt sein. Gleich und gleichberechtigt nebeneinander.

Am 22. Januar 2025 jährte sich der Geburtstag Karola Blochs zum 120. Mal. Am 8. Juli 2025 liegt die Geburt Ernst Blochs 140 Jahre zurück. Vor 15 Jahren starb der Naturwissenschaftler und Philosoph Jan Robert Bloch, der Sohn des Paares. Eine solche Daten-Trinität verlangt nach Erinnerungen, nach Reflexion, nach Kritik.

Als Ernst und Karola Bloch 1961 das letzte Mal in ihrem Leben ihren bisherigen Handlungsmittelpunkt verließen, um von Leipzig nach Tübingen, von Ost nach West zu wechseln, begann zugleich ihr letzter gemeinsamer Lebensabschnitt. Sie starben in Tübingen. Auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus waren sie von Berlin nach Zürich, Wien, Paris, Prag, in die USA und Ende der vierziger Jahre nach Leipzig gezogen. Die Vertreibung ins Exil behinderte und beeinträchtigte ihre Lebensträume, ihre Lebensleistungen und ihre Lebenswerke.

Es schien, dass sie beide in der Neckarstadt eine neue gemeinsame Arbeitsgrundlage für sich geschaffen hatten. In einem Brief an Irene Henselmann beschrieb – wie Roland Beer und Claudia Lenz hervorheben – Karola Bloch 1968 recht humorvoll ihre neue Situation: „Ernst sagt, wir haben eine Architekturfirma zusammen, in der statt Architektur Philosophie gemacht wird. Und ich muss Dir sagen, dass trotz der Traurigkeit, dass Ernst nicht mehr lesen kann (…), macht mir diese ,Firma‘ viel Spass, denn es ist so schön mit ihm zusammen zu arbeiten.“

Diese durchaus humorvolle Formulierung trifft einen Kern: Während in den Exiljahren Karola Bloch den Unterhalt verdienen musste, weil Ernst Blochs deutschsprachige Werke im Ausland kaum verlegerische Interessen weckten, arbeiteten in der Tübinger Zeit beide tatsächlich am selben Arbeitsthema. Die Edition der Briefe Karola Blochs an den Suhrkampverleger Siegfried Unseld in dem Band „Etwas, das in die Phantasie greift“ bezeugen die neue Rolle Karola Blochs: Sie hat faktisch das Editionsmanagement der Ernst-Bloch-Gesamtausgabe weitgehend mitbetreut, wenn nicht gar vielfach gesteuert.

Während in den Exilstationen und in der Leipziger Zeit beide Blochs ihren jeweiligen Berufen in eigener Dynamik folgten, wendete sich ab 1961 das Blatt. Karola Bloch gab ihren Beruf als Architektin auf. Für westdeutsche Augen und Ohren erschien sie nun als „Frau von“. In den Exil-Jahren davor war Ernst Bloch der „Mann von“. Für die Öffentlichkeit der BRD blieben die beruflichen Leistungen, ihr Lebenswerk, verdeckt. Erst posthum – viele Jahre nach ihrem Tod – wird das Profil Karola Blochs als hochkompetente und wirtschaftlich selbstständige Architektin des „Neuen Bauens“ erkennbar.

Doch die Rezeptionsgeschichte des Lebenswerkes der Architektin steht nach ihrem Tod lange unter dem Schatten eines partiellen Machismo in der Bloch-Community. Ihr, die am Bau von Hochhäusern, Theatern und Kindereinrichtungen maßgeblich mitwirkte, wird – eineinhalb Jahrzehnte nach ihrem Ableben – aus der Mitte der Bloch-Community die Fähigkeit des Denkens abgesprochen. Ein diskriminierender Vorgang. Auf diesen Akt folgte aus der Community vor allem Schweigen. Noch immer steht diese Herabwürdigung ohne deutlichen Widerspruch bis heute im Raum.

Mehr noch: Rezeptionsgeschichtlich wird zudem eine wesentliche Faktenfolge umgedreht. Die Umwertung will der Architektin den Vorwurf der dogmatischen Sowjet-Ideologisierung machen. Abgrenzend soll man dagegen das Werk Blochs – wohl eher entpolitisierend – ästhetisch und literarisch neu lesen. Karola Bloch wird rückwirkend zu einer Art moskautreuer Doktrinärin verzaubert. Es würde – so lautet die versteckte Argumentation – der Erinnerung an Karola Bloch schaden, wenn man ihre Werke und Texte aus der DDR-Zeit heute neu veröffentlicht. Ein Ton der umgedrehten Rezeption.

Es war Ernst Bloch, der Stalin eine publizistische Verbeugung zollte, während Karola Bloch sich für Flüchtlinge einsetzte, die vor Stalin flohen. Es war Ernst Bloch, der den DDR-Nationalpreis entgegennahm, während die Architektin Bloch die SED kritisierte. Es war Karola Bloch, die sich dafür einsetzte, nicht nach Moskau sondern in die USA zu fliehen. Es war Karola Bloch, die in Leipzig der SED „roten Faschismus“ vorwarf und nach Denkmälern für die Stalinopfer rief. Dies bezeugte Jürgen Teller. Ernst Bloch korrigierte schließlich seine Wertung Stalins und gestand seinen Irrtum ein.

Vor diesem Hintergrund war es ein wichtiger Schritt und eine große Leistung, dass das Team Beer/Lenz in unabhängiger Arbeit alle findbaren Texte der Architektin aus ihrer Leipziger Zeit ungekürzt veröffentlichte.

Die Entdeckung bzw. Wiederentdeckung des Lebensweges und des Lebenswerkes der Architektin des „Neuen Bauens“ erlaubt die Verschiebung der Schwerpunkte innerhalb der Bloch Communities. Die Betrachtung der Leipziger und Tübinger Zeit der Blochs ebnet den Weg zur Sichtung der Werkgemeinsamkeit und zur Eröffnung der Möglichkeit, das Verbindende der beiden Hitlergegnerschaften herauszuheben.

Wir sollten den 120. Geburtstag Karola Blochs und den 140. Geburtstag Ernst Blochs zum Anlass nehmen, die Diskussion über die Werke beider Blochs frei von konservierender Diskriminierung und frei von alt-antikommunistischen Vorurteilen mutig neu zu entfachen.

Wir sollten beide Blochs würdigen, auf gleicher Augenhöhe in ihrer beruflichen Unterschiedlichkeit, wie sie sich selbst gesehen haben in ihrer „Architekturfirma“. Warum jetzt? Weil eine alte neue Diskriminierung sich anschleicht. Im Vorfeld der Lesung zum Leben Karola Blochs kürzlich in Albstadt weigerte sich eine Buchhandlung für die Veranstaltung zu werben, weil Karola Bloch eine Jüdin war.

Erinnern wir uns dabei an Jan Robert Bloch. Er wünschte sich im Jahr 2000 – zehn Jahre vor seinem plötzlichen Tod – ein „Forum für kämpfende Humanität“ als Perspektive der Bloch-Community. Dieser Wunsch wurde 25 Jahre danach noch nicht eingelöst. Heute stünden die Verteidigung der Menschenrechte und der rechtstaatlichen Demokratie, der Widerspruch gegen Antisemitismus und Rassismus sowie der Einsatz für gerechten Frieden und Klimaschutz im Vordergrund einer „kämpfenden Humanität“. Blochs Verständnis von Ungleichzeitigkeiten und antizipatorischem Bewusstsein – auch im Sinne Helmut Fahrenbachs – könnten einem solchen Vorgehen zugrunde liegen. Weniger Innenzentrierung mehr Interventionen sind erforderlich. Vor gesellschaftspolitischem und zugleich parteiunabhängigem Denken muss man keine Furcht spüren.

Es wäre zudem an der Zeit, die Versäumnisse des Jahres 2024 zu korrigieren. Anlässlich des 30. Todestages Karola Blochs im vergangen Jahr ist es nicht gelungen, eine Veranstaltung zu ihrer Würdigung im Ernst-Bloch-Zentrum durchzuführen. Die Daten-Trinität in diesem Jahr wäre eine Chance, eine Würdigung der Architektin nachzuholen und dem Blick, den die Blochs auf sich selbst hatten, zu folgen.

Wenn wir uns in diesem Jahr der Zerschlagung des Hitler-Regimes und der Befreiung durch die Alliierten vor nunmehr achtzig Jahren erinnern, ist es an der Zeit, wieder Karola Bloch nachzulesen – auch und gerade gegen die männlich-überdrehte Perspektive. Sie schrieb: „Unmündigkeit ist trotz größter zivilisatorischer und kultureller Entfaltung nach wie vor geblieben. Unsere Aufgabe ist es, unaufhaltsam aufzuklären, das Bewußtsein des Menschen wachzurütteln. Andere Waffen haben wir nicht“ (Karola Bloch).

Lesehinweise: Irene Scherer, Welf Schröter (Hg.): „Etwas, das in die Phantasie greift“. Briefe von Karola Bloch an Siegfried Unseld und an Jürgen Teller. 2015, 392 S., ISBN 978-3-89376-156-2. // Roland Beer, Claudia Lenz: „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“. Die Architektin Karola Bloch. 2022, 2 Bände, 696+4 S., ISBN 978-3-89376-187-6. // Näheres zum bebilderten Doppelband Beer/Lenz siehe: http://bloch-blog.de/denn-ohne-arbeit-kann-man-nicht-lebendie-architektin-karola-bloch/ // Irene Scherer, Welf Schröter (Hg.): Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin. 2010, 392 S., ISBN 978-3-89376-073-2. // Francesca Vidal (Hg.): Bloch-Jahrbuch 2010. Experiment Welt. Zum 125. Geburtstag von Ernst Bloch – In Erinnerung an Jan Robert Bloch. 2010, 160 S., ISBN 978-3-89376-136-4. // Bücher von sowie über Karola Bloch siehe: https://bloch-blog.de/buecher-zu-karola-bloch/

Zum Beginn des 30. Todesjahres der Architektin Karola Bloch

Lesung und Audioangebote zur Erinnerung an Karola Bloch (1905–1994), Architektin und politisch aktive Frau – Zusammengestellt anlässlich ihres kommenden 30. Todestages im Jahr 2024

Unter dem Titel „Karola Blochs berufliche und politische Praxis in der DDR: Die Architektin der Kindergärten – Das Beispiel des Leipziger Spinnerei-Kindergartens“ findet am 22. Januar 2024 um 18.00 Uhr eine Online-Lesung statt. Es lesen Roland Beer, Irene Scherer und Welf Schröter, unterstützt von Claudia Lenz. Mit diesem Abend wird die öffentliche Folge von Online-Lesungen zur Würdigung des Lebensweges und des Lebenswerkes der Architektin Karola Bloch fortgesetzt. Karola Bloch wurde vor 119 Jahren am 22. Januar geboren. Die Lesungen in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ zeichnen den Weg der Architektin, Hitlergegnerin, Stalinkritikerin, Sozialistin, Polin und Jüdin nach.

Die neue Lesung schildert ihre Leipziger Zeit in den fünfziger Jahren. Im vorigen Teil 1 wurden die Widersprüche und Widerstände zwischen Neuem Bauen und Nationaler Bautradition“ deutlich: Karola Blochs Kritik an der offiziellen SED-Linie der „Nationalen Bautradition“ offenbarte sich in ihrem Ringen um das „Neue Bauen“ und um die künstlerische Erbschaft des Bauhauses. Teil 2 zeigt die Arbeit der Architektin am Beispiel des Leipziger Spinnerei-Kindergartens. Ganz im Sinne der Architekturmoderne hatte Karola Bloch bei ihren Typen-Entwürfen das Ziel, kindgerechte Welten zu planen. Sie wollte die Grundrisse der Einrichtungen zum Wohl der Kinder aber auch zum Wohl des Betreuungspersonals optimieren. Dazu nutzte sie den interdisziplinären Planungsansatz, den sie an der TH Berlin bei Bruno Taut kennengelernt hatte und den sie sehr schätzte.

Karola Bloch hatte in ihrer Exilzeit in den dreißiger Jahren in Prag mit der Designerin Friedl Dicker zusammengearbeitet. Friedl Dicker war vor 1933 in der Löwenstein’schen Pausa beschäftigt. Die Lese-Reihe wird getragen von: Redaktion „Latenz“, Redaktion „bloch-akademie-newsletter“, Löwenstein-Forschungsverein e.V., Hans-Mayer-Gesellschaft e.V. und Talheimer Verlag. Für die Übersendung des Zugangslinks (Zoom) wird um Anmeldung gebeten bei: schroeter@talheimer.de

Anlässlich des nahenden dreißigsten Todestages von Karola Bloch am 31. Juli 2024 wurden nun acht Aufzeichnungen von Online- und Präsenz-Lesungen aus Büchern von sowie über Karola Bloch frei zugänglich bereitgestellt. Darunter finden sich die Aufzeichnungen der Lesung beim Tübinger Bücherfest 2023 sowie der Online-Lesung „Karola Blochs berufliche und politische Praxis in der DDR (Teil 1): Zwischen Neuem Bauen und Nationaler Bautradition“. Im Zentrum steht vor allem die Neuerscheinung von Roland Beer und Claudia Lenz: >> „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch <<. Link zur Audio-Datei-Gesamtübersicht: http://bloch-blog.de/karola-bloch/

Karola Bloch

Audiodateien der Lesungen zum Lebensweg und Lebenswerk der Architektin Karola Bloch (1905–1994) – Zusammengestellt anlässlich ihres 30. Todestages im Jahr 2024

Übersicht über die Aufzeichnungen von Online- und Präsenz-Lesungen aus Büchern von sowie über Karola Bloch. Im Zentrum steht die Neuerscheinung von Roland Beer und Claudia Lenz: >> „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch <<. Der neue Doppelband stellt eine Wiederentdeckung und zugleich in hohem Maße eine informationsreiche Neuentdeckung des Lebensweges und des Lebenswerkes der Architektin Karola Bloch (1905–1994) dar. Es lesen Roland Beer, Irene Scherer und Welf Schröter, unterstützt von Claudia Lenz. Die Lesungen waren Teil der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“. Diese Reihe wird getragen von: Redaktion „Latenz“, Redaktion „bloch-akademie-newsletter“, Löwenstein-Forschungsverein e.V., Hans-Mayer-Gesellschaft e.V. und Talheimer Verlag.

Näheres zum bebilderten Doppelband
Hinweise auf Bücher von wie auch über Karola Bloch

[ Audio X ] „… nicht berufstätig.“ – Die Architektin Karola Bloch in Tübingen 1961 – 1994. Zur Audiodatei: https://youtu.be/wT-BokaxV9Q

Aufzeichnung (Audiodatei 103.33 Min.) der Online-Lesung in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ am 8. Mai 2024 anlässlich des 30. Todestages von Karola Bloch: >>„… nicht berufstätig.“ – Die Architektin Karola Bloch in Tübingen 1961 – 1994<<. Eine Lesung aus der Neuerscheinung von Roland Beer und Claudia Lenz: >> „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch <<. Es lesen Roland Beer, Irene Scherer und Welf Schröter. Die Architektin Karola Bloch lebte von 1961 bis zum ihrem Tod am 31. Juli 1994 in Tübingen. Die Online-Lesung erinnert an das widerständige Leben, der aus einer polnischen jüdischen Familie kommenden Hitlergegnerin und scharfen Kritikerin Stalins. Mit großer Hoffnung auf ein besseres Deutschland kam Karola Bloch nach dem Zweiten Weltkrieg mit Mann und Kind aus ihrem amerikanischen Exil nach Leipzig. Sie verstand ihre berufliche Tätigkeit als Teil der Kultur des „Neuen Bauens“ und lehnte die SED-Linie der „Nationalen Bautradition“ ab. In ihrer Tübinger Zeit unterstützte Karola Bloch die studentische Bewegung in den Jahren 1967/1968 und gründete in Tübingen den „Republikanischen Club“. Sie solidarisierte sich mit dem „Prager Frühling“, mit der Frauenbewegung und der Friedensbewegung, mit Solidarnosc und mit den Sandinistas. Zusammen mit vielen Freundinnen und Freunden gründete sie den „Verein Hilfe zur Selbsthilfe“ für jugendliche Straftäter. Sie engagierte sich für die Frauenhaus-Bewegung und für chilenische Flüchtlinge. Mit Freude hörte sie vom „Neuen Forum“ in Leipzig und von den Montagsdemonstrationen 1989 in der DDR. Vor allem aber litt sie unter dem Bruch in ihrem Berufsleben: Sie war nicht mehr als Architektin tätig.

[ Audio IX ] „Karola Blochs berufliche und politische Praxis in der DDR (Teil 2): Die Architektin der Kindergärten – Das Beispiel des Leipziger Spinnerei-Kindergartens“
Zur Audiodatei: https://youtu.be/0spj8CDuKOM

Aufzeichnung (Audiodatei 51.37 Min.) der Online-Lesung am 22. Januar 2024 mit dem Titel: „Karola Blochs berufliche und politische Praxis in der DDR (Teil 2): Die Architektin der Kindergärten – Das Beispiel des Leipziger Spinnerei-Kindergartens“. Eine Lesung aus der Neuerscheinung von Roland Beer und Claudia Lenz: >> „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch <<. Es lesen Roland Beer und Welf Schröter. Die Lesungen in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ zeichnen den Weg der Architektin, Hitlergegnerin, Stalinkritikerin, Sozialistin, Polin und Jüdin nach. Die neue Lesung schildert ihre Leipziger Zeit in den fünfziger Jahren. In Teil 1 wurden die Widersprüche und Widerstände zwischen Neuem Bauen und Nationaler Bautradition“ deutlich: Karola Blochs Kritik an der offiziellen SED-Linie der „Nationalen Bautradition“ offenbarte sich in ihrem Ringen um das „Neue Bauen“. Teil 2 zeigt die Arbeit der Architektin am Beispiel des Leipziger Spinnerei-Kindergartens.

[ Audio VIII ] „Karola Blochs berufliche und politische Praxis in der DDR (Teil 1): Zwischen Neuem Bauen und Nationaler Bautradition“
Zur Audiodatei: https://youtu.be/nqEM5Y4ajCw
Aufzeichnung (Audiodatei 75 Min.) der Online-Lesung am 14. Dezember 2023 unter dem Titel: „Karola Blochs berufliche und politische Praxis in der DDR (Teil 1): Zwischen Neuem Bauen und Nationaler Bautradition“. Mit diesem Abend wird die öffentliche Folge von Online-Lesungen zur Würdigung des Lebensweges und des Lebenswerkes Karola Blochs fortgesetzt. Die Lesungen in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ zeichnen den Weg der Architektin, Hitlergegnerin, Stalinkritikerin, Sozialistin, Polin und Jüdin nach. Die neue Lesung schildert ihre Leipziger Zeit in den fünfziger Jahren. Unter dem Titel „Karola Blochs berufliche und politische Praxis in der DDR (Teil 1): Zwischen Neuem Bauen und Nationaler Bautradition“ werden die Widersprüche und Widerstände deutlich: Karola Blochs Kritik an der offiziellen SED-Linie der „Nationalen Bautradition“ zeigt sich in ihrem Ringen um das „Neue Bauen“.

[ Audio VII ] Tübinger Bücherfest 2023: „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch
Zur Audiodatei: https://youtu.be/saAdICM28gs
Aufzeichnung (75 Min.) der Lesung beim „Tübinger Bücherfest 2023“ am 24. September mit Roland Beer, Claudia Lenz, Irene Scherer, Welf Schröter in der Galerie Fingur in Tübingen. Die Lesung in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ war Narges Mohammadi, Sepideh Gholian, Niloufar Bayani und Golrokh Iraee gewidmet. Der Doppelband „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch“ lässt diese Frau auf neue Weise für sich sprechen. Es ist eine Wiederentdeckung und zugleich eine Neuentdeckung. Bislang unbekannte Briefinhalte, unveröffentlichte Beiträge und Texte, Fotos, Einblicke in das Leben einer Frau, die ihr Leben lang kämpfen musste, bringen ein zu wenig beleuchtetes und vielfach unerwartetes Bild einer widerständigen Persönlichkeit nahe.

[ Audio VI ] „Karola Bloch – Architektin im Exil“
Zur Audiodatei: https://youtu.be/xw72AyU0nAE
Aufzeichnung (64 Min.) der Online-Lesung mit dem Titel „Karola Bloch – Architektin im Exil“ am 4. Juli 2023. Die Lesung in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ zeichnet den Weg der Architektin, Hitlergegnerin, Stalinkritikerin, Sozialistin, Polin und Jüdin in den dreißiger und vierziger Jahren nach. Die Lesung schildert die Exilzeit in Wien, Paris, Prag und in den USA. In Prag arbeitete Karola Bloch mit der Bauhäuslerin Friedl Dicker zusammen, die davor auch für die Löwensteinsche Pausa in Mössingen tätig war.

[ Audio V ] „Die junge Karola Bloch – Ihr eigener Weg zur neuen Architektur“
Zur Audiodatei: https://youtu.be/9wt-XhHaR08
Aufzeichnung (59:35 Min.) der Online-Lesung mit dem Titel „Die junge Karola Bloch – Ihr rebellischer Weg zur neuen Architektur“ am 19. April 2023. Die Lesung in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ fand anlässlich des 90. Jahrestages der Machtübertragung an Hitler im Jahr 1933 wie vor allem auch anlässlich des 80. Jahrestages des jüdischen Aufstandes im Warschauer Ghetto am 19. April 1943 statt. Karola Blochs Eltern, ihr Bruder, ihre Schwägerin und ihr Neffe waren im Warschauer Ghetto gefangen und wurden im KZ Treblinka ermordet. Für Karola Bloch galt der aussichtslose jüdische Aufstand als außerordentliches Symbol für den Kampf um die Würde des Menschen. Die Lesung zeichnet den Weg Karola Blochs als Jugendliche und junge Frau nach bis zum Abschluss ihrer Berufsausbildung als Architektin. Wie prägten die Folgen der polnischen Teilungen und das Erleben der russischen Revolutionsereignisse 1917 in Moskau das Bewusstsein der damals Zwölfjährigen? Wie entstand ihr Interesse an Kunst? Wie fand sie Kontakt zum Bauhaus? Wie verliefen ihre Hochschulaufenthalte in Wien, Berlin und Zürich? Wie dachte die politische Polin? Wie wollte sie sich gegen Antisemitismus und gegen den erstarkenden Nationalsozialismus wehren?

[ Audio IV ] „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch
Zur Audiodatei: https://youtu.be/18KdzRbfWHY
Aufzeichnung (Audiodatei 60 Min.) der Onlinelesung „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch vom 22. Januar 2023 in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“. Am Sonntag 22. Januar 2023 stellten der Stadtplaner Roland Beer und die Architektin Claudia Lenz zusammen mit dem Talheimer Verlag ihren fast 700-seitigen Doppelband zum Lebensweg und zum Lebenswerk der Architektin Karola Bloch vor. Die Bücher erlauben eine Wiederentdeckung und zugleich eine umfassende Neuentdeckung Karola Blochs als Architektin der Moderne, als Anhängerin des „Neuen Bauens“ und des Bauhauses, als Kritikerin der nationalen Baukultur der DDR. Die einschlägige Neuerscheinung von Roland Beer und Claudia Lenz trägt den Titel: „… denn ohne Arbeit kann man nicht leben“ – Die Architektin Karola Bloch. Es lesen Roland Beer und Welf Schröter.

[ Audio III ] Karola Bloch – Aus meinem Leben
Zur Audiodatei: https://youtu.be/3ZlYXFb2E7M
Aufzeichnung als Audio-Datei (66 Min.) der Online-Lesung „Karola Bloch – Aus meinem Leben“ am 2. Dezember 2022 in der Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ im Rahmen des Projektes „Dreißig Tage im November – Vom Wert der MenschenRechte“ (2022). Es liest der Mitherausgeber der Schriften Karola Blochs, Welf Schröter. In der Online-Lesung m Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kristalle der Hoffnungen“ wird ein Teil des ungewöhnlichen Lebensweges Karola Blochs als Architektin, Sozialistin, Anhängerin des „Neuen Bauens“, Hitler-Gegnerin, SED-Kritikerin und Jüdin nachgezeichnet.

[ Audio II ] „Ernst und ich identifizierten uns mit der rebellischen Jugend“ (Karola Bloch) – Lesung aus „,Lieber Genosse Bloch …‘ – Briefe von Rudi Dutschke, Gretchen Dutschke-Klotz und Karola Bloch 1968–1979“
Zur Audiodatei: https://youtu.be/AH75uitjuw8
Die Aufzeichnung als Audio-Datei (62 Min.) der Online-Lesung des Talheimer Verlages zur Brieffreundschaft zwischen Rudi Dutschke, Gretchen Dutschke-Klotz und Karola Bloch. Die Lesung vom 27. April 2022 gehört zur Online-Lese-Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ im Jahr 2022. Es lesen Irene Scherer und Welf Schröter, beide vom Talheimer Verlag. Dieser Briefwechsel eröffnet den Blick auf eine ganz ungewöhnliche Freundschaft zwischen Personen unterschiedlicher Generationen. Der marxistische Philosoph Ernst Bloch (geboren 1885) und die Polin, Architektin und Sozialistin Karola Bloch (geboren 1905) finden unter anderem über Briefe Kontakt zu dem fast um ein halbes Jahrhundert jüngeren Rebellen Rudi Dutschke (geboren 1940), einem der bekanntesten Köpfe der Studentenbewegung von 1968. In diesem Band wurde der Briefwechsel zwischen Gretchen Dutschke, Rudi Dutschke und Karola Bloch umfassend zusammengefügt.

[ Audio I ] Karola Bloch – Die Sehnsucht des Menschen, ein wirklicher Mensch zu werden
Zur Audiodatei: https://youtu.be/HUqGoP0iMM4
Aufzeichnung als Audio-Datei (81 Min.) der Lesung des Talheimer Verlages zum Leben von Karola Bloch am 22. Januar 2022 unter dem Titel „Karola Bloch – Die Sehnsucht des Menschen, ein wirklicher Mensch zu werden – Texte aus dem Leben einer wunderbar frechen, aufmüpfigen und aufrechten Frau“. Die Lesung stellt Teil 1 der Online-Lese-Reihe „Kristalle der Hoffnungen“ im Jahr 2022 dar. Es lesen Irene Scherer und Welf Schröter. Am 22. Januar 1905 wurde die Widerstandskämpferin, Friedensaktivistin, Architektin, Anhängerin des Bauhauses, SED-Kritikerin, Unterstützerin von Solidarnosc und Jüdin Karola Bloch in der polnischen Stadt Łodz geboren. In ihrer Autobiografie „Aus meinem Leben“ beschreibt sie die Geschichte ihres Lebens, ihrer Hoffnungen, ihres Traumas und ihrer Tagträume.

„…und gibt das Hoffen nicht auf“ (Johanna Teller) – Zum Tode der Leipziger Galeristin Johanna Teller – Erinnerungen von Welf Schröter

Im Alter von 89 Jahren starb am 16. August 2023 in Leipzig die Galeristin Johanna Teller. Die Kunstkundige und Kunstvertraute, geboren am 8. Juni 1934, war jahrelang eine, wenn nicht die tragende Säule der „Galerie am Sachsenplatz“ in der Löwenstadt. Zu ihrem Netzwerk gehörten renommierte Kunstschaffende wie Wolfgang Mattheuer, Carlfriedrich Claus und Werner Tübke. Johanna Teller war Kommunikatorin, Organisatorin und antreibender Wille für eine autonome Kultur. Sie war eine außerordentliche Frau, die ein Leben lang gekämpft und gerungen hat. Ihre Liebe zur Kunst gab ihrem Handeln die Richtung.  

Ihre Eigenständigkeit und persönliche Unabhängigkeit zeigen sich in ihrem Beruf und in ihrem Zusammenleben mit ihrem Mann, dem Philosophen Jürgen Teller. Zusammen sind beide Tellers mit ihren Kindern eine innige und starke Kraft. Gemeinsam müssen sie viel erdulden und erleiden. Und doch haben sie ihre Ziele und Perspektiven. Sie stehen mutig für ihre Werte ein. Dies gilt insbesondere in der Zeit der politischen Verfolgung und der Bespitzelung durch den DDR-Staatssicherheitsdienst.

Ermutigungen erhält Johanna Teller nicht nur aus der Galerie-Tätigkeit sondern auch aus der engen Freundschaft mit Ernst und Karola Bloch. Die Nähe und Intensität dieser Freundschaft offenbart sich im Briefwechsel zwischen den Tellers und den Blochs, zwischen Leipzig und Tübingen. In den heimlichen „Briefen durch die Mauer“ aus der DDR in die BRD und umgekehrt schreibt Johanna Teller unter dem Lessingschen Decknamen „Minna von Barnhelm“ schon im Juni 1969 an „Polonia“ (Karola Bloch) ihre Sehnsucht nach mehr Freiheit: „Gewiss fällt einem da manchmal die Decke auf den Kopf, die Welt erscheint nicht nur, sondern  ist auch so beengt – man führe doch gerne mal nach Honolulu oder sonst wohin. […] und gibt das Hoffen nicht auf.“ An anderer Stelle schildert im Februar 1971 „Minna von Barnhelm“ die Phasen der Mutlosigkeit in der DDR: „Manchmal sind wir sehr müde von Pachulkistan.“ Im November 1964 sieht sie die Briefverfassenden bereits als „Abgetrennte und doch so stark Verbundene“. 

In solchen Zeiten helfen die Worte aus den brieflichen Kassibern, wenn sich die Blochs – im Sinne der Solidarität – als „neue Eltern“ gegenüber ihren neuen „Adoptivkindern“ deuten. Diese Verbildlichung vermittelt den dringend benötigten Wärmestrom. Ermutigung wird auch in der Zeit nach 1989 gebraucht. Jürgen Teller sendet im Januar 1993 an Polonia: „Und Jo setzt ihre Lebenskraft mit daran, dass die Leipziger ,Galerie am Sachsenplatz‘ in diesem rigorosen Kapitalismus redivivus überleben kann.“

Die wärmenden Worte der Korrespondenz zwischen Tübingen und Leipzig veranschaulichen im Juli 1984 die Lebenskraft und den Lebensmut der Galeristin. „Polonia“ bringt ein starkes Lächeln nach Leipzig mit ihren Zeilen: „Lieber Jü, liebe Jo, es war mir eine ungewöhnliche Freude[,] Euch wiederzusehen.  Ihr alten, vertrauten Freunde, solche findet man nicht wieder. Unsere Verbindung ist ein Bund fürs Leben, ich fühle mich mit Euch geradezu verwachsen, als ob Ihr ein Stück von mir wäret. Du Jo, hast mich entzückt durch Deine Schönheit und Jugendlichkeit. Du siehst ja aus wie ein[e] 30jährige Frau, nicht wie eine Fünfzigjährige. Hast ein Elexir der Jugend getrunken. Bist auch so fröhlich und vergnügt, alle vergangenen Sorgen sind schadlos an Dir vorbeigegangen. Ich bin so froh für meinen geliebten Jü, dass er so eine wunderbare Lebensgefährtin hat. Und die Liebe scheint zu blühen wie eh und je.“

Die persönlichen Begegnungen mit Johanna Teller in Leipzig finden in den neunziger Jahren und nach der Jahrtausendwende zunächst in der alten und dann in der neuen Wohnung statt. An den Wänden hängen Originale von ihren künstlerischen Freunden. Mitten im Raum steht eine selbstsichere und ruhige Frau.

Doch ihr Leben ohne ihren vertrauten Partner Jürgen Teller, der bereits 1999 gestorben war, verliert in den darauf folgenden Jahren an Richtung. Alte Freunde sind entweder ebenfalls gestorben oder haben sich nach der „Wende“ politisch verwandelt. Sie wollen mit den früheren Lebensgeschichten nichts mehr zu tun haben. Die Bloch-Community präsentiert sich kommunikationsunfähig und blendet „die Leipziger“ aus. Dies gilt auch für mehrere andere Personen, die in DDR-Zeiten zu den Blochs halten.

Sich an Johanna Teller zu erinnern, soll heißen, ihre Arbeit und ihre großen Leistungen wertzuschätzen. An sie zu denken, bedeutet, ihr Leben dauerhaft im Bewusstsein zu halten.

Johanna Teller strahlte Selbstbewusstsein aus, war in Haltung und Worten sehr souverän. So bleibt sie im Gedächtnis. „…und gibt das Hoffen nicht auf“ (Johanna Teller).

.

Lesehinweise zu den Briefwechseln zwischen Tellers und Blochs: Jan Robert Bloch, Anne Frommann, Welf Schröter (Hg.): Briefe durch die Mauer. Briefwechsel 1954–1994 zwischen Ernst und Karola Bloch sowie Jürgen und Johanna Teller. 2009, 344 Seiten, ISBN 978-3-89376-113-5. Weiterer Hinweis: Irene Scherer, Welf Schröter (Hg.): „Etwas, das in die Phantasie greift“. Briefe von Karola Bloch an Siegfried Unseld und an Jürgen Teller. 2015, 392 Seiten, ISBN 978-3-89376-156-2.

Verleihung der Dankbarkeitsmedaille des Europäischen Solidarność-Zentrums in Gdansk an Manfred Mack am 31. August 2022

Vor 42 Jahren am 31. August 1980 wurde in Gdansk auf der Werft der streikenden Arbeiterinnen und Arbeiter die unabhängige Gewerkschaft Solidarność gegründet. Heute am 31. August 2022 erhielt ein Vertreter der damaligen bundesdeutschen Bewegung „Solidarität für Solidarność“ eine besondere Würdigung und Ehrung. Manfred Mack, langjährigem Freund der polnischen Kultur und der unabhängigen polnischen Gesellschaft, wurde in Gdansk die „Dankbarkeitsmedaille des Europäischen Solidarnosc-Zentrums“ verliehen.

Der Osteuropa-Wissenschaftler Manfred Mack gehörte während seines Studiums an der Universität Tübingen zum Komitee „Solidarität mit Solidarność“. Die Arbeit dieses Komitees wurde auch von der in Polen geborenen Karola Bloch sehr aktiv unterstützt. Karola Bloch trat bei Solidaritätskundgebungen auf und drückte ihre Verbundenheit der polnischen Gewerkschaft aus. Sie lud aus Polen geflohene Gewerkschaftsvertreter zu sich ein. Untergrundschriften des polnischen KOR gelangten über Paris nach Tübingen, wurden ins Deutsche übersetzt und mit einem Vorwort von Karola Bloch verbreitet. In dem Tübinger Komitee, das viele Jahre tätig war, wirkten rund eineinhalb Dutzend junger Frauen und Männer, die aktiv mit den Demokratiebewegungen in Polen, in der CSSR, in Ungarn, in der DDR und in der Sowjetunion sympathisierten. Auch der Herausgeber des „bloch-akademie-newsletters“ gehörte dazu.

Eine Jury unter dem Vorsitz von Lech Walesa verleiht Manfred Mack die Dankbarkeitsmedaille des Europäischen Solidarność-Zentrums (ECS) im Rahmen der Feierlichkeiten des „Festes der Freiheit“. Diese Auszeichnung wurde bisher an über 700 Personen weltweit verliehen. Die Medaille der Dankbarkeit ist eine ehrenvolle Auszeichnung für Freunde Polens, die sich im Geiste der Solidarność-Ideale für die universellen Menschenrechte eingesetzt haben und einsetzen, sich für die Idee der Solidarität als Grundlage der europäischen Ordnung engagieren, sich für die Verständigung zwischen den Völkern einsetzen und die soziale und moralische Ordnung auf dem Dialog aufbauen. Manfred Mack hat sich seit den 1970er Jahre in vielfältiger Weise für die Opposition in Polen eingesetzt, durch Übersetzungen, Veranstaltungen, aber auch im Rahmen Tübinger Komitees „Solidarität mit Solidarność“ durch konkrete Hilfsmaßnahmen während des Kriegsrechts in Polen.

 

Befreiung und Hoffnung

Heinrich Bleicher-Nagelsmann (Verband deutscher Schriftsteller VS) am 8. Juli 2015 in Mössingen. - Foto: © Welf Schröter

Heinrich Bleicher-Nagelsmann (Verband deutscher Schriftsteller VS) am 8. Juli 2015 in Mössingen. – Foto: © Welf Schröter

Die Zahl derer, die in Europa Grundprinzipien der Demokratie und deren Praxis in Frage stellen, nimmt in vielen Ländern zu. Europa als demokratisches Friedensversprechen gegen die Verbrechen des Nationalsozialismus gewinnt unter jungen Menschen jedoch an Anziehung. Im Gegensatz dazu wachsen eher innerhalb der mittleren und älteren Generation Zweifel und Distanz. Diese Menschen suchen auf ihre Enttäuschungen zumeist Antworten in der Vergangenheit, – nicht als aufzuhebende Erbschaft ungleichzeitiger Erfahrungen sondern als eindimensionaler Fluchtpunkt rückwärts.

Am 8. Juli 2015 kamen in Mössingen zahlreiche Nachdenkliche zusammen, um sowohl an den 70. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Alliierten wie auch an den 130. Geburtstag Ernst Blochs zu erinnern. Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch des verstorbenen Harold Livingston (Helmut Löwenstein) gedacht. Er war der Sohn des jüdischen Mitbegründers des Textilunternehmens Pausa, Artur Löwenstein. Die Pausa arbeitete vor 1933 eng mit dem Bauhaus in Dessau zusammen. Die Belegschaft der Pausa löste den „Mössinger Generalstreik“ gegen Hitler am 31. Januar 1933 aus. Das Unternehmen wurde 1936 zwangs„arisiert“. Helmut Löwenstein wurde mit seiner Familie und seinen Verwandten 1936 von Nationalsozialisten aus Mössingen und Stuttgart vertrieben. Er kehrte 1945 als 22-jähriger Soldat der britischen Armee nach Deutschland zurück und gehörte zu den Befreiern des KZ Bergen Belsen. Unter dem Namen Harold Livingston lebte und starb Helmut Löwenstein in London.

In seiner Rede zum Thema „Befreiung und Hoffnung – 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus“ ermutigte Heinrich Bleicher-Nagelsmann vom Vorstand des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) seine Zuhörerinnen und Zuhörer, sich für ein demokratisches und soziales Europa in der Tradition von Ernst und Karola Bloch einzusetzen. Achtzig Jahre nach der Vertreibung der in Mössingen arbeitenden jüdischen Bürgerinnen und Bürger lohnt es sich, diese Rede noch einmal zu lesen (Rede_Heinrich_Bleicher-Nagelsmann_2015).

Für die Humanisierung der Welt

Thilo Götze Regenbogen (Foto: © Welf Schröter)

Thilo Götze Regenbogen (Foto: © Welf Schröter)

„Er hat ein Leben voller Forscherdrang, Kreativität, Liebe und Hingabe geführt. Sein Werk und sein Einfluss wirken weiter.“ Mit diesen klaren wie eindringlichen Worten übermitteln die Familie und die Angehörigen von Thilo Albrecht Götze Regenbogen die traurige Nachricht seines allzu frühen Todes.Im Alter von 66 Jahren starb ein Freund, Autor, Künstler, Rechercheur und interessierter Kenner des jeweiligen Lebenswerkes von Karola Bloch und Ernst Bloch. Während Thilo noch bis zuletzt gedanklich an neuen Schaffensprozessen und Editionsarbeiten hing, gab sein Körper den Kampf auf. Thilo Götze Regenbogens Leben endete am 30. April 2015.

Neben verschiedenen künstlerischen Schwerpunkten beschäftigte sich „TGR“ mit den Lebenswegen der Hitlergegnerin Karola Bloch, mit dem Maler Ludwig Meidner und mit dem der Blochschen Philosophie nahestehenden Künstler und DDR-Kritiker Carlfriedrich Claus, mit der unermüdlichen Schaffenskraft von Joseph Beuys sowie mit dem literarisch-politischen Schaffen des DDR-Oppositionellen und Bloch-Schülers Jürgen Teller.

In seinem einschlägigen Beitrag über Karola Bloch und Ludwig Meidner schrieb er – sich selbst verortend: „Die von Jugend an künstlerisch und politisch engagierte polnische Jüdin und Widerstandskämpferin Karola Piotrkowska-Bloch (1905-1994) ist seit der Remigration in die Bundesrepublik im Jahre 1961 zusammen mit ihrem Mann, dem Philosophen und Autor einer historischen Enzyklopädie der Hoffnung Ernst Bloch (1885-1977), nicht nur zu einer Symbolfigur der Friedens- und Emanzipationsbewegung der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts geworden. Beide Blochs standen für eine unabhängige undogmatische Linke und arbeiteten für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz, Karola als ,die große alte Dame der Linken‘ – um mit Jürgen Teller zu sprechen.“

Thilos Herangehen an neue Fragen war offen und unkonventionell. Er liebte es, neugierig zu sein. Nach innen wie nach außen. Er wollte das Unmögliche denken, es sehnsuchtsvoll vorahnen, es erkennen. Die Blochsche Genesis am Ende des Werdens des Menschen verband er mit seiner ganz eigenen Sicht. Unvergessen bleibt seine künstlerische Präsentation im Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen.

Thilo war ein Freund der humanen Emanzipation. Sein Wirken galt und gilt der Humanisierung der Welt. Jene, denen er Freund war, sind ihm dabei Freunde geblieben.

 

Am 7. März wäre Rudi Dutschke 75 Jahre alt geworden

Im Alter von nur 39 Jahren war Rudi Dutschke, Christ und Kriegsdienstverweigerer aus der DDR, an den Folgen des Attentats von 1968 am Weihnachtsabend 1979 gestorben. Als Kritiker des Vietnamkrieges und Unterstützer des „Prager Frühlings“, als Unterstützer Sacharows und Gegner des Militärputsches in Chile war der am 7. März 1940 in Luckenwalde geborene Sozialist in den Jahren 1967/68 von einschlägigen Medien angegriffen und für beinahe vogelfrei erklärt worden. Ein junger Mann aus der rechten Szene nahm die Denunziation ernst und schoss auf ihn. Drei Kugeln verletzten Rudi Dutschke schwer.

Seine langsame Gesundung und Rekonvaleszenz wurde von einem intensiven Briefwechsel mit dem Philosophen Ernst Bloch begleitet. Die Briefe spiegeln nicht nur die persönliche Lebensgeschichte wider, sie geben zugleich Einblick in die Zeitgeschichte der siebziger Jahre.

Vor 27 Jahren erschien dieser legendäre Briefwechsel zwischen Dutschkes und Blochs. „Lieber Genosse Bloch …“ So hieß das von Karola Bloch herausgegebene Buch, das Ende der achtziger Jahre einen ersten Einblick in das produktive Freundschaftsverhältnis zwischen Dutschkes und Blochs eröffnete.

Sowohl Rudi Dutschke wie auch Karola und Ernst Bloch kamen aus der DDR kurz vor dem Mauerbau in den Westen. Nach der Kritik an der DDR folgte die Kritik an der westdeutschen Gesellschaft. Rudi Dutschke missbilligte Bloch lange Zeit als zu starren Denker. Erst mit dem 1968 erschienenen Werk Blochs „Atheismus im Christentum“ näherte sich der linke Christ Dutschke dem linken Atheisten Bloch an. Die Diskussion über den Utopie-Gehalt der Religion führte beide Männer zusammen.

 

 

Naturrecht und menschliche Würde

Arno Münster am 3. Dezember 2014 in Tübingen. (Foto: © Welf Schröter)

Arno Münster am 3. Dezember 2014 in Tübingen. (Foto: © Welf Schröter)

Es war ein unzweideutiges Plädoyer für die Freiheit des Menschen, die unter keinem politischen Vorwand und schon gar nicht durch den Avantgardeanspruch irgendeiner Partei eingeschränkt werden dürfe. Mit dieser Haltung eröffnete Arno Münster, der sich in seiner philosophischen Arbeit Ernst Bloch verpflichtet sah und sieht, im denkwürdigen Hörsaal Eins in der Neuen Aula der Tübinger Universität sein Werben um die Verteidigung der Würde des Menschen. Die Freiheit der Citoyenne und des Citoyen ist die Grundlage und Bedingung humaner gesellschaftlicher Emanzipation hin zur – wie Bloch es nannte – Genesis der Menschheit, die diese noch vor sich habe. Es gelte die kantianische Erbschaft in Blochs Denken hervorzuheben, der immer die Trikolore als Ausgangspunkt und Leitmotiv gesellschaftlicher Veränderung annahm. 

Ernst Bloch habe – so Arno Münster – in seinen Isolationsjahren in der DDR zwischen 1957 und 1960, in denen die SED den rebellischen Denker zum Schweigen bringen wollte, sein wichtiges Buch „Naturrecht und menschliche Würde“ verfasst und später in der Bundesrepublik veröffentlicht. Das Werk – so Münster – müsse heute neu gelesen werde. Es habe unabgegoltene Aktualität wie insgesamt der Blochsche Naturrechtsgedanke. 

Bloch, der in den dreißiger Jahren gegen den Protest der aktiven Hitlergegnerin Karola Bloch, seine Wertschätzung Stalins veröffentlichte, hat in diesem Werk faktisch den Stalinismus wie auch den Leninismus kategorial seziert und abgelehnt. Das Buch muss als radikale Kritik am diktatorischen Regime Ulbrichts gelesen werden. Rudolf Bahro konnte später mit seiner „Alternative“ darauf aufsetzen. 

Arno Münster stellte Ernst Bloch in die Tradition des Denkens des französischen Kriegsgegners Jean Jaurès, der vor 100 Jahren zu Beginn des Ersten Weltkrieges einem politischen Attentat zum Opfer fiel. Auch Jaurès sah im Dokument der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ das Schlüsseldokument europäischer Freiheitsbestrebungen.

„Es gibt kein richtiges 1917 ohne ein richtiges 1789“ (Arno Münster).

 

 

Vergessene Architekten

Bauhaus2

(Foto: © Welf Schröter)

Er gehörte für Karola Bloch zur politischen Familie, auch wenn – oder auch weil – er von Stalin verfolgt wurde. Sie, die Architektin und Bauhaus-Anhängerin, freute sich, ihn zu treffen, von ihm zu hören und zu lesen. Am 18. November 2014 jährte sich der Geburtstag des Architekten und Dessauer Bauhausdirektors Hannes Meyer zum 125. Mal.

Meyer wurde von Gropius zum Bauhaus geholt und vom ihm vertrieben, weil er zu politisch, zu politisch links war. Dieses Politische in der Architektur aber, ihre ganzheitliche Gesellschaftlichkeit war es, die Karola Bloch an Meyer schätzte und der sie selbst nachfolgen wollte.

Meyer ging mit großen Erwartungen 1930 nach Moskau. Er wollte durch neues Bauen zu neuen Gesellschaften beitragen. Mit diesem Tagtraum kam Karola Bloch 1949 in die DDR nach Leipzig. Meyer floh alsbald in die Schweiz. Seine Partnerin wurde von Stalins Häschern ermordet. Karola Bloch erhielt in der zweiten Hälfte der Fünfziger-Jahre Berufsverbot in „Pachulkistan“ (so nannte der Bloch-Schüler Jürgen Teller die DDR). 1961 wechselt die Architektin von Leipzig nach Tübingen. Beide Architekten gehören heute noch immer zu den Vergessenenen in ihrem Berufszweig.

Schon 1951 schrieb Karola Bloch an Hannes Meyer in der Schweiz, er möge nicht in die DDR kommen. Die Bauhaus-Tradition sei durch den ideologischen „Formalismusstreit“ des „sozialistischen Realismus“ weitgehend getilgt worden: „Der sowjetische Prozess brauchte hier nicht zu sein“, schrieb die Polin und Jüdin kritisch über die planwirtschaftlichen Exerzitien Ulbrichts. Karola Bloch arbeitet bis zum Tätigkeitsverbot in der DDR zu Kindertagesstätten und Kinderkrippen, da es dabei „nicht so viele Schwierigkeiten zu überwinden“ gibt. Hannes Meyers Tod 1954 hat Karola Bloch schwer getroffen.

„Daß Sie zur Familie gehören, ist selbstverständlich, und ich habe stets, allen Merkers zum Trotz, zu Ihnen gehalten und Sie stolz meinen Freund genannt!“ (Karola Bloch am 21. 10. 1951 an Hannes Meyer).

 

Karola Bloch: Der unkünstlerischste Naturalismus. Brief an Hannes Meyer. In: Irene Scherer, Welf Schröter (Hg.): Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin. Eine Neuentdeckung des Wirkens der Bauhaus-Schülerin. (2010) ISBN 978-3-89376-073-2